Die Corona-Pandemie hat den Entscheidern in der Politik gezeigt, dass man sich auf die deutschen Apotheken vorbehaltlos verlassen kann. Aber kaum ist das Schlimmste vorbei, sind die Apotheker wieder Spielball von Politik und Krankenkassen.
Bundesgesundheitsminister Spahn – und unverständlicherweise in dessen Fahrwasser auch die apothekereigene sog. Berufs- und Interessenvertretung ABDA – hält weiterhin an einem umstrittenen Boni-Verbot fest, während immer mehr Bundestagsabgeordnete – sogar der CDU und CSU – eine Rückkehr zum Versandverbot verschreibungspflichtiger Arzneimittel fordern.
Reinhard Rokitta, Vorstandsmitglied der Freien Apothekerschaft: „Die Politik möchte die sog. flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch die Apotheken vor Ort gesichert wissen. Sie kann uns aber nicht einmal sagen, ab welcher Apothekenzahl eine flächendeckende Versorgung nicht mehr gesichert ist. Auch die ABDA hat hierzu noch keine ernstzunehmende Stellung bezogen, was noch naheliegender wäre. Mittlerweile ist die Zahl der öffentlichen Apotheken unter 19.000 gesunken. “
Rokitta weiter: „Wenn die Umstellung auf das E-Rezept in 2022 vollzogen sein wird, ohne dass die Apotheken per Gesetz vor Makelverboten interessierter Gruppen geschützt werden, dann ist ein Rückgang auf die Hälfte bis ein Drittel der Apotheken innerhalb weniger Jahre überaus wahrscheinlich.“
Zu den „interessierten Gruppen“ zählt der Bundesverband nicht nur ausländische Arzneimittelversender, die mit dem Kapital von Aktiengesellschaften und Investoren das deutsche Apothekensystem und damit die wohnortnahe Arzneimittelversorgung zerstören wollen, sondern mittlerweile auch bestimmte Zusammenschlüsse großer inländischer Apotheken-Unternehmen zur Aushandlung von exklusiven Belieferungsverträgen mit den gesetzlichen Krankenkassen. Die Freie Apothekerschaft vermisst hierzu von Bundesgesundheitsminister Spahn eine deutliche Hinwendung zum Erhalt der Arzneimittelversorgung durch die Apotheken vor Ort.
Die vom Bundestag kurzfristig beschlossene Senkung der Mehrwertsteuer mag für das ein oder andere Unternehmen von Nutzen sein, für die Apotheken kann sie Verluste in Millionenhöhe bringen. Das liegt an den Lieferverträgen mit den Krankenkassen. Hier muss sofort eine politische Regelung erfolgen. Die Meinung der Krankenkassen, dass Apotheken an den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu viel verdienen, muss man insgesamt als völlig verfehlt bezeichnen, zumal das Packungshonorar seit 2013 nicht mehr erhöht wurde und seit 16 Jahren(!) von der Inflationsrate vollkommen abgekoppelt ist.
So fordert die Freie Apothekerschaft schon seit Längerem die Abschaffung des nicht mehr gerechtfertigten Rabatts an die gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von knapp 30%, denn die Belieferung eines Rezepts ist in den letzten Jahren um ein Vielfaches aufwändiger geworden: Durch teilweise grenzenlos ausufernde und existenzbedrohende Sonderregelungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und die damit einhergehenden Dokumentationen, als auch durch die immer weiter ansteigende Anzahl der Lieferengpässe.
Rokitta: „Hier müssen angesichts der dominanten Position der GKV im Gesundheitssystem endlich einmal grundsätzliche Fragen zur Zukunft der Apotheken gestellt werden. Das bestehende System mit derzeit noch inhabergeführten Apotheken und Hausarztpraxen als die bewährten Leistungserbringer für die Bevölkerung wird sich sonst schon wegen Nachwuchsmangels aufgrund eines solch demotivierenden Verwaltungssystems nicht halten lassen!“
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