Die Rechtsanwälte Dr. Fiete Kalscheuer und Dr. Nicolas Harding von der Kanzlei BROCK MÜLLER ZIEGENBEIN haben für die Freie Apothekerschaft eine gutachterliche Stellungnahme zur Frage verfasst, ob ein RX-Versandhandelsverbot europa- und verfassungsrechtlich zulässig ist. Sie gelangen zu dem Ergebnis, dass sich ein RX-Versandhandelsverbot rechtfertigen lässt.
Dazu Dr. Fiete Kalscheuer: „Den EU-Mitgliedsstaaten kommt im Bereich des Gesundheitsschutzes ein Beurteilungsspielraum zu. Zur Rechtfertigung eines RX-Versandhandelsverbots genügt daher grundsätzlich eine auf Grund konkreter Tatsachen bestehende und objektiv belegte abstrakte Gefahr für die hinreichend sichere Arzneimittelversorgung in Deutschland. Im Weiteren muss das RX-Versandhandelsverbot insbesondere erforderlich sein, d.h. es darf keine mildere Maßnahme mit in etwa gleicher Wirksamkeit vorhanden sein.“ Diese Voraussetzungen für eine Rechtfertigung eines RX-Versandhandelsverbots sind Kalscheuer und Harding zufolge gegeben.
Das Apothekenwesen befindet sich aufgrund der Digitalisierung derzeit in einer disruptiven Phase. Die starken Veränderungen auf dem Apothekenmarkt ergeben sich aus der Einführung des E-Rezepts und dem damit verbundenen CardLink-Verfahren. Befeuert durch eine massive und zugleich rechtswidrige Werbekampagne von Doc Morris und der Shop-Apotheke erlebt die Apothekenwirtschaft dadurch die schnellste Verschiebung von Marktanteilen in ihrer Geschichte.
Dr. Nicolas Harding: „Seit dem 01.01.2024 ist in Deutschland bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zulasten der gesetzlichen Krankenkassen die Nutzung des E-Rezepts obligatorisch, sodass Kunden/Versicherte entsprechende Verschreibungen direkt bei niederländischen Versandhändlern einreichen können. Dies beseitigt das bis dahin bestehende Marktzugangshindernis, sodass EU-Versandhändler nunmehr in unmittelbarer Konkurrenz mit Präsenzapotheken direkt am Markt teilnehmen können.“
Die Preisbindung – an die sich die niederländischen Versandhändler derzeit ohnehin nicht halten – stellt zwar eine mildere Maßnahme dar, sie ist aber jedenfalls nicht so wirksam wie ein RX-Versandhandelsverbot. Die Erforderlichkeit des RX-Versandhandelsverbots ist damit zu bejahen.
Hierzu Daniela Hänel, 1. Vorsitzende der Freien Apothekerschaft: „Die neue Regierung muss die Gelegenheit beim Schopfe packen und den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten verbieten. Jetzt oder nie! Noch gibt es Präsenzapotheken in Deutschland, die für eine hinreichend sichere Arzneimittelversorgung in Deutschland sorgen können. Wenn die neue Regierung nicht schnell eingreift, lässt sich das Apothekensterben in Deutschland nicht aufhalten.“
Die gutachterliche Stellungnahme zur europa- und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines RX-Versandhandelsverbots finden Sie hier: