Schreitet die Abschaffung des deutschen Apothekenwesens weiter voran? Experten sagen: Ja!
Nachdem kürzlich die EU-Kommission aus Gründen des freien Warenverkehrs die Bundesregierung aufforderte, die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel aufzuheben, hat Bundesgesundheitsminister Spahn einen Referentenentwurf in Form des sog. „Apothekenstärkungsgesetz“ vorgelegt, der diese Gleichpreisigkeit im Sozialgesetzbuch verankern soll. Diesen Schachzug begründet Spahn damit, dass dadurch die Forderung der EU angeblich hinfällig sein soll.
An vielen Stellen dieser Gesetzesvorlage sehen Rechtsexperten allerdings eher Unsicherheiten und Schwächungen der Apotheken vor Ort als deren Stärkung, da die europarechtlichen Konsequenzen überhaupt nicht absehbar sind. Dazu Dr. med. Helma Gröschel, 1. Vorsitzende der Freien Apothekerschaft: „Ein derart unsicheres Gesetz hilft nur dem Versand aus dem Ausland! Rechtsexperten warnen schon jetzt davor, dass auch diese Regelung vor dem EuGH landen wird. Und bislang ist überhaupt nicht gesichert, dass sich z.B. die holländischen Arzneimittellogistiker an dieses Gesetz halten oder halten müssen.“
Dr. Helma Gröschel weiter: „Keine Preisbindung, also kein einheitlicher Abgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel würde nämlich bedeuten, dass die Abrechnung mit den Krankenkassen praktisch nicht mehr zuverlässig durchgeführt werden kann, was dem Zusammenbruch des freiberuflichen Apothekensystems mit unabsehbaren Folgen für das gesamte Gesundheitssystem gleichkommt. Im Arzneimittelpreis ist u.a. das Apothekenhonorar enthalten, aus dem die Apotheken sämtliche Kosten bestreiten müssen. Das Honorar ist somit nicht mehr gesichert. Das bedeutet: Aus die Maus!“
Experten rechnen nach Verabschiedung des Gesetzes in dieser Form mit einer schnellen und drastischen Senkung der Apothekenzahl. „Die Sicherung der Gleichpreisigkeit, die von ausländischen Arzneimittellogistikern ständig durch sog. Boni – also finanzielle Zuwendungen – unterlaufen wird, ist nur mit einem Versandverbot verschreibungspflichtiger Arzneimittel möglich, wie auch schon in 21 Ländern der EU“ so Gröschel.
Da nach Ansicht der Freien Apothekerschaft verschreibungspflichtige Arzneimittel anders zu bewerten sind als einfach nur „Waren“, fordert der Verein die Bundesregierung daher wiederholt, ja geradezu gebetsmühlenartig auf, nun endlich das im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD vereinbarte Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel gesetzlich zu verankern, da dies der einzige Weg ist, um weiterhin eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu garantieren. So sehen es auch mittlerweile zahlreiche Abgeordnete.
Denn die weiteren Maßnahmen des Ministers wie z.B. die Einführung des eRezepts in 2020 sollen ersten Veröffentlichungen zufolge ebenfalls den ausländischen Versand massiv stärken und mindestens weitere 7.000 Apotheken vernichten. Die von der Politik immer wieder ins Feld geführte und hochgelobte flächendeckende Versorgung mit Nacht- und Notdiensten rund um die Uhr ist dann für die übrig gebliebenen Apotheken nicht mehr zu leisten.
So sieht der Bundesverband in den jetzigen Absichten des Gesundheitsministers einseitigen Protektionismus und eine gewollte Erhöhung der Marktmacht ausländischer, durch Kapitalgesellschaften gestützte Versender, die allerdings nichts anderes machen als versenden. Das ist weit weg von einem staatlichen Auftrag und einer umfassenden Versorgung, wie es die Apotheken vor Ort garantieren und so die von der Bundesregierung geforderten gesetzlichen Bestimmungen professionell erfüllen.
Helma Gröschel: „Durch diese für die Freie Apothekerschaft nicht nachvollziehbaren Entscheidungen sowohl des Gesundheitsministers als auch der Bundesregierung ist das Vertrauen der Apotheken und ihrer Mitarbeiter in die deutsche Gesundheitspolitik zutiefst erschüttert, was sich nach unserer Ansicht bereits bei der kommenden Europawahl niederschlagen wird.“
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